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Die Flucht aus der Kategorie
pp. 35-63
Abstract
Die moderne Welt konfrontiert uns mit einer paradoxen Situation: auf der einen Seite eine ungebremste Ausdifferenzierung von Gesellschaft und dem Wissen über sie, auf der anderen ein beängstigender Zuwachs an Diffusität. Je bestimmter, das heißt analytisch differenzierter, genauer, in immer mehr Variablen und Kombinationen zerteilt, man die Gegenstände oder Ereignisse beschreibt, desto unbestimmter, bloß wahrscheinlicher und mehrdeutiger wird das Wissen darüber, wie sich ein System oder Gegenstand tatsächlich verhalten werden. Je unbedingter Philosophie und Wissenschaft versuchen, etwas ganz sicher zu wissen, desto größer geraten die Unsicherheitsmargen. Wo alles zur Disposition gestellt wird, immer mehr Variablen variiert werden oder die Relativität der Aussagen in Abhängigkeit von den Methoden, den Entscheidungspräferenzen, der Kontextgebundenheit, den Zielvorgaben und der Untersuchungstiefe zunimmt, steigt unausweichlich mit dem vermehrten Wissen über die Varianz der Verhältnisse das Nichtwissen und damit die Unbestimmbarkeit. Oder, wie Heidegger sagt: Das jederzeit zu Berechnende wird gerade dadurch zum Unberechenbaren.
Publication details
Published in:
Wiedenmann Rainer E. (1997) Ambivalenz: Studien zum kulturtheoretischen und empirischen Gehalt einer Kategorie der Erschließung des Unbestimmten. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.
Pages: 35-63
DOI: 10.1007/978-3-322-91433-0_2
Full citation:
Gamm Gerhard (1997) „Die Flucht aus der Kategorie“, In: R. E. Wiedenmann (Hrsg.), Ambivalenz, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 35–63.