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Polnische Rezeption der Idee des Transzendentalismus

Marek J. Siemek und die Warschauer Schule für die Ideengeschichte

Andrzej Gniazdowski(Polish Academy of Sciences)

pp. 55-78

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1Die Frage, die ich in meinem Beitrag stellen möchte, betrifft nicht nur die philosophische, sondern auch die politische Bedeutung der polnischen Rezeption der Idee des Transzendentalismus. Gegen|stand meiner Untersuchung wird insbesondere die Rolle jener Re|zeption sein, in der sowohl die philosophischen als auch die politi|schen Auseinandersetzung mit dem Marxismus als einer staatspartei|lichen Ideologie nach dem Zweiten Weltkrieg in Polen stattfanden. In diesem Kontext ist die Auslegung der Idee des Transzendentalis|mus von Marek J. Siemek (1942–2011) zentral, der mit seinem Fichte und Kant gewidmeten Buch die neuere polnische Rezeption wesentlich bestimmt hat (Siemek 1984 [1977]). Mit meiner Argumentation werde ich mich gegen die weit verbreitete Annahme wenden, Siemeks Interpretation des Transzendentalismus sei ein Ergebnis der Anwendung der Methodologie der sogenannten Warschauer Schule der Ideengeschichte (vgl. Poręba 2017, 11–37). Sofern diese Schule, samt ihres bekanntesten Vertreters, Leszek Kołakowski, als eine Gruppe der polnischen marxistischen Revisio|nisten gilt, die in ihrer intellektuellen Bedeutsamkeit mit der jugoslawischen Praxis-Gruppe (vgl. Sher 1977, 212) oder der von Lukácsʼ Schülern geformten Budapester Schule (vgl. Bulira 2018) zu vergleichen ist, kann man sie mit Recht auch für ein wichtiges Beispiel der polnischen Rezeption der Idee des Transzendentalismus halten. Wie man dem Aufsatz Karl Marx und die klassische Defini|tion der Wahrheit [Karol Marks i klasyczna definicja prawdy, 1959] von Kołakowski entnehmen kann, wäre diese Rezeption, allgemein gesprochen, als die Transzendentalisierung der Marxʼschen Katego|rie der sozialen Arbeit zu deuten (vgl. Kołakowski 1968, 38–66). In meinem Beitrag stelle ich mir die Aufgabe, die Methodologie der Warschauer Schule als eine Art postmarxistische Ideenhistoriogra|phie darzustellen und auf einige Diskrepanzen zu der von Siemek herausgearbeiteten Auslegung zu verweisen (vgl. Gniazdowski 2014, 141–153). Meine Hauptthese lautet, dass, insofern Siemek, anders als die meisten Vertreter jener Schule, keineswegs auf die «inneren Antinomien» der Idee des Transzendentalismus, sondern auf ihre bahnbrechende Bedeutsamkeit in der Ideengeschichte verweist, er sich nicht so sehr in die Tradition jener Schule, sondern eher in die Tradition des «polnischen Neukantianismus» einbeziehen lässt.

1 | Die Marxistische Interpretation des Transzendentalismus in Polen

2Der Rezeption des Transzendentalismus innerhalb der polnischen Philosophie war die 1974 zum 250. Jubiläum Kants organisierte Tagung Das Erbe Kants [Dziedzictwo Kanta] gewidmet. Auf jener Tagung wurde die früheste polnische Rezeption des Kantianismus im neunzehnten Jahrhundert, aber auch sein späterer Einfluss auf die Werke der polnischen Philosophen wie u. a. Stanisław Krusiński, Mścisław Wartenberg, Antoni Lange, Władysław Kozłowski und Władysław Tatarkiewicz dokumentiert (vgl. Garewicz 1976). Die Rezeption der Idee des Transzendentalismus in Polen ist im zwanzigsten Jahrhundert keineswegs mit der Philosophie Kants und der Neukantianer gleichzusetzen (vgl. Parszutowicz & Soin 2011). Nach dem Zweiten Weltkrieg bezog sich die ausdrücklichste polnische Rezeption jener Idee hauptsächlich auf die transzendentale Phäno|menologie Edmund Husserls und wurde in ihrem Charakter für eine lange Zeit durch die Auslegung seiner Philosophie von Roman Ingarden bestimmt. Insofern Ingarden, wie Adolf Reinach, Edith Stein oder Dietrich von Hildebrand, zu den Göttinger Schülern Husserls gehörte und den «transzendentalen Idealismus» seiner Phänomenologie vom Standpunkt eines «phänomenologischen Rea|lismus» bekämpfte (Spiegelberg 1965, 168–228), kann diese Rezeption als eine negative bezeichnet werden. In seiner Abhand|lung Über die Motive, die Husserl zum transzendentalen Idealismus geführt haben (1963) wie auch in manchen seiner früheren Texte hat Ingarden bekanntlich den Transzendentalismus als eine Art Spiri|tualismus gedeutet, der in der Deduktion der Welt aus einem reinen Bewusstsein bestehen sollte (vgl. Ingarden 1998 [1963], 274–352). Mit der unbestrittenen Autorität eines weltberühmten Philosophen hat Ingarden auf diese Weise zu der weit akzeptierten Auffassung des Transzendentalismus beigetragen, nach welcher er ein im Grunde absurder metaphysischer Standpunkt sei (Okopień 1997, 86–117).

3Im Unterschied zur ebenso ablehnenden Rezeption des Trans|zendentalismus im Rahmen der anderen etablierten philosophischen Richtungen in Polen, wie dem Neuthomismus der meisten katholi|schen Philosophen oder dem logischen Positivismus der Lemberg-Warschauer Schule, muss ihre marxistische, damals zur Staatsideo|logie erhobene Interpretation etwas ausführlicher besprochen werden. Einerseits wurde die kritische Philosophie Kants samt dem deutschen Idealismus auch von den polnischen Marxisten als eine überholte bürgerliche Philosophie gedeutet, welche in der Dialektik Hegels kulminierte und erst von Marx auf die Füße gestellt werden musste (vgl. Rozental & Judin 1955). Andererseits galt sie zugleich als eine Vorläuferin der Marxʼschen Kritik der politischen Öko|nomie und der «radikalen», im «Hirn des Philosophen» beginnenden Revolution. Somit wurde die Idee des Transzendentalismus zum Gegenstand einer nicht nur «vulgärmarxistischen» Rezeption (vgl. Schaff 1959 [1954]). Die Grundlage für eine ausgeglichenere, sozu|sagen «positive» Auslegung jener Idee wurde von niemanden anderen als den polnischen marxistischen Revisionisten geschaffen, welche die oben erwähnte Warschauer Schule der Ideengeschichte bildeten. Neben Kołakowski muss in erster Linie sein Lehrer Tade|usz Kroński, der ehemalige Politoffizier der Polnischen Volksarmee Bronisław Baczko, der Kenner der russischen Philosophie Andrzej Walicki, der eher soziologisch orientierte Jerzy Szacki und Marek J. Siemek selbst genannt werden.

4Tadeusz Kroński, der vor dem Krieg mit dem phänomenologi|schen Kreis in Prag verbunden war und noch in der Okkupation am Essay Faschismus und europäische Tradition [Faszyzm a tradycja europejska] arbeitete (Kroński 2014 [1960]), wurde nach 1945 zum Parteiapparatschik und marxistisch orientierten Hegel-Kenner. Sein damaliges philosophisches Credo lautete in einem Brief vom 7. Dezember 1948 an seinen Freund und Nobelpreisträger Czesław Miłosz: «Wir werden den Leuten in diesem Land mit sowjetischen Kolben das rationale Denken ohne Entfremdung beibringen.»1

5Dennoch hat Kroński in den fünfziger Jahren an der Warschauer Universität auch Vorlesungen über die deutsche klassische Philo|sophie gehalten, die nach seinem Tod 1958 von seinen Schülern, u. a. von Leszek Kołakowski und Bronislaw Baczko, veröffentlicht wurden. In dem Abschnitt, welcher der Philosophie Kants gewidmet war und acht Jahre später in der populären Publikationsreihe «Ge|danken und Leute» als Monographie erschien, hat Kroński den Transzendentalismus, gemäß der Parteiorthodoxie, als einen dem marxistischen Materialismus widersprechenden Idealismus gedeutet (vgl. Kroński 1966). Im Rahmen der «immanenten Kritik» der Idee des Transzendentalismus, und zwar nicht nur bei Kant, sondern auch bei Fichte, wusste er dennoch die historische Bedeutsamkeit jener Idee auch zu würdigen.

6Der Begriff «transzendental» sollte sich nach der von Kroński angegebenen Definition auf die Bedingungen beziehen, «die Er|fahrung ermöglichen und die somit in Bezug auf die Erfahrung äußere sind.»2 Im Lichte dieser Definition war es für ihn, im Unter|schied zu Ingarden, von vornherein klar, dass auch der sogenannte «subjektive Idealismus» von Fichte kein absurder metaphysischer Standpunkt war. Indem Fichte die Existenz der Welt sowie alle Urteile über die Welt als vom Bewusstsein abhängig deutete, behauptete er laut Kroński keineswegs, dass das Bewusstsein, welches die Dinge konstituiere, von ihnen unabhängig sei, oder dass es ihnen in seiner Existenz vorangehe. Kroński machte darauf aufmerksam, dass die Objektivität der Ichheit aus der Perspektive des Fichteschen Transzendentalismus rein ideal sei, das heißt, dass ihr Sein nur vom Denken und für das Denken konstruiert sei. Im Konspekt zu seiner Vorlesung von 1955 schreibt Kroński:

Der transzendentale Idealismus soll eben darin bestehen, dass alle ontologischen Urteile, die über irgendein Sein urteilen, im Denken deduzierte Urteile sind. Das Urteil, das unserem Ich eine objektive Existenz zuschreibt, ist somit gleich unbegründet wie die Annahme einer objektiven Existenz irgendwelcher anderen ‹Dinge an sich›, das heißt Dinge, die unabhängig von der Subjekt-Objekt-Korrelation existieren. Das Subjekt existiert nicht ohne Objekt und das Objekt existiert nicht ohne Subjekt. Eben darin fasst sich die Ontologie Fichtes zusammen.3

7Mit seiner Würdigung der klassischen deutschen Philosophie, aber auch mit seiner philosophischen Persönlichkeit, hat Kroński die Zugangsweise zur Geschichte der Philosophie im Rahmen der War|schauer Schule der Ideengeschichte wesentlich beeinflusst. Aus der Perspektive der intellektuellen Verflechtung, die zu der Entstehung dieser Schule und ihrer Interpretation des Transzendentalismus beigetragen hat, ist neben dem Marxismus auch der Neukantianis|mus zu nennen. Diese Verflechtung ist am ehesten am Beispiel von Andrzej Walicki zu beobachten, dem einzigen Vertreter der War|schauer Schule, der sich mit der intellektuellen Tradition des Marx|ismus nicht verbunden gefühlt hat. Der Einfluss des Neukantianis|mus ist durch die Vermittlung des russischen Emigranten Sergej Gessen zustande gekommen, den Walicki nicht nur als seinen Lehrer (vgl. Walicki 2010, 30 ff.), sondern auch als «erste[n] Meister» bezeichnet hat (Styczyński 2004, 55). Mit den Gessen gewidmeten Arbeiten (vgl. Walicki 1968) sowie den Arbeiten zur Rezeption der Kantischen Philosophie in Polen (vgl. Walicki, 1974, 108–124) und in Russland – insbesondere im Rahmen der russi|schen, liberalen Rechtsphilosophie (vgl. Walicki 1992 [1967]) –, hat Andrzej Walicki wesentlich zur späteren «Entmarxisierung» und «Neukantianisierung» der Warschauer Schule beigetragen.

2 | Leszek Kołakowski und die «Sozialisierung des Kantischen Standpunkts»

8Es ist zu betonen, dass die aus den Schülern von Kroński und Gessen bestehende Schule eigentlich keine «Schule» im technischen Sinne der Wissenschaftsgeschichte gewesen ist (vgl. Bucholc 2012, 39–57). Im Unterschied zu der aus u. a. Ágnes Heller, Ferenc Fehér, György Márkus und Mihály Vajda bestehenden Budapester Schule sollte diese Bezeichnung in ihrem Fall eher als Eigenname verstanden werden. Sie bezieht sich auf eine ziemlich heterogene Gruppe miteinander befreundeter Intellektueller, die zum Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre zum Kreis der Doktoran|den des Parteilichen Instituts für die Bildung der wissenschaftlichen Kader [Instytut Kształcenia Kadr Naukowych] gehörten (vgl. Sitek 2000, 6). Was die Bezeichnung jener Gruppe als einer Schule dennoch rechtfertigt, ist die zum großen Teil einheitliche geschichtliche Wirkung ihrer Vertreter auf die Weltanschauung und politische Haltung der sogenannten «Generation der Solidarność». Seit dem ersten Auftreten jener antikommunistischen Bewegung im August 1980 – vorbereitet u. a. durch die Aktivität des 1976 gegründeten Komitees zur Verteidigung der Arbeiter [Komitet Obrony Robotników (KOR)], mit welchem einige der Vertreter der Warschauer Schule verbunden waren – hat diese Generation mit ihrer «intellektuellen Beratung» zur Gestaltung der wichtigsten, die heutige politische Bühne in Polen immer noch bestimmenden, ideologischen Oppo|sitionen wesentlich beigetragen.

9Diese politische Wirkungsgeschichte der intellektuell heterogenen Warschauer Schule ist keineswegs ohne Zusammenhang mit der Rezeption des Transzendentalismus und der Kantischen – und auch Neukantianischen – Philosophie zu deuten. Was als eine gemeinsame Methodologie jener Gruppe bezeichnet werden kann, war vor allem das Resultat einer inneren Polemik gegen die staatsparteiliche, von den Warschauer Historikern anfangs selbst vertretenen Ge|schichtsschreibung. Zu einem Kampfmittel in ihrer Auseinander|setzung mit dem dogmatischen Marxismus der Partei und zugleich in ihrem Versuch, den Schematismus und Determinismus des historischen Materialismus zu durchbrechen, wurden für die War|schauer Historiker in erster Linie die Vertreter des französischen Strukturalismus und der Annales-Schule, aber auch die von Jean-Paul Sartre, Lucien Goldmann und Michel Foucault. Den deutsch|sprachigen Hintergrund jener Auseinandersetzung bildeten die Arbeiten aus dem Kreis der deutschen philosophischen Hermeneu|tik und Wissenssoziologie, in erster Linie die von Dilthey und Mannheim, sowie die Werke des marxistischen Revisionisten Ernst Bloch (vgl. Sitek 2000, 105–180).

10In seinem Artikel Der aktuelle und obsolete Begriff des Marxismus [Aktualne i nieaktualne pojęcie marksizmu] aus dem Jahre 1957 hat Leszek Kołakowski die methodologische Haltung der Warschauer Schule innerhalb der Geisteswissenschaften dennoch als die Perspektive der «intellektuellen Linken» bezeichnet. Er fasste sie im folgenden Satz zusammen:

[U]nter der intellektuellen Linken in den Geisteswissenschaften verstehen wir die geistige Tätigkeit, die sich durch den radikalen denkerischen Rationalismus, die Entschiedenheit im Kampf gegen die Invasion der Mythologie in der wissenschaftlichen Arbeit, die bedingungslos säkulare Weltanschauung, den am wei|testen fortgeschrittenen Kritizismus, das Misstrauen gegenüber dem Konstruieren der geschlossenen Doktrinen und Systemen sowie durch das Streben nach dem offenen Denken – d. h. durch die Bereitschaft zur Revision der angenommenen Thesen, Theo|rien und Methoden sowie durch die Würdigung der wissen|schaftlichen Innovation, durch die Toleranz gegenüber den unterschiedlichen Standpunkte innerhalb der Wissenschaft und zugleich durch die Bereitschaft zum Krieg – sei es auch zum Angriffskrieg – gegen alle möglichen Irrationalismen; darüber hinaus, durch die Überzeugung über die Erkenntniswerte der Wissenschaft und die Möglichkeit eines sozialen Fortschritts auszeichnet.4

11Es versteht sich von selbst, dass diese kritische methodologische Haltung, die sich nicht nur für wissenschaftlichen, sondern auch für sozialen Fortschritt gegen sowohl den naturalistischen als auch den historischen Determinismus einsetzte, noch keineswegs mit dem Kritizismus der Kantischen Provenienz gleichzusetzten ist. Für den Umgang der Warschauer Historiker mit der Philosophie- und Ideengeschichte bedeutete es bloß konkret, dass sie die von ihnen erforschten philosophischen Doktrinen und Systeme in ihrem umfassenderen historischen Kontext deuteten und sie dadurch relativierten. Der «Kontextualismus» und der historische Relativismus der Warschauer Schule soll als ein Element ihrer sowohl philo|sophischen, als auch politischen Strategie betrachtet werden, die implizit auf die Relativierung der wissenschaftlichen Ansprüche des «wissenschaftlichen Sozialismus» abzielte.

12Die Warschauer Ideenhistoriker erforschten deswegen nicht – wie im Fall Lovejoys – die einfachen, sozusagen atomaren Ideen, verstanden sie nicht als aus dem Gewebe ihrer Geschichte zu isolie|rende Sinneinheiten. Im Zentrum ihrer Forschungsinteressen stan|den vielmehr – wie bei Dilthey – die zusammengesetzten, komplexen Weltanschauungen, die in ihrer jeweils relativen Rationalität rekonstruiert werden sollten (vgl. Walicki 2017 [1984]). In der konkreten geistigen Tätigkeit der Ideenhistoriker ging es darum, die Weltanschauungen, Ideologien und Doktrinen als eine ganzheitliche Sinnstruktur auf ihre grundsätzlichen – und d. h. sie konstituierenden – Antinomien zurückzuführen. Dementsprechend, hat z. B. Leszek Kołakowski in seiner Studie Das religiöse Bewusstsein und die kirchliche Bindung [Świadomość religijna i więź kościelna, (1965)] versucht, «die inneren Widersprüche und Inkongruenzen der einzelnen Denkstrukturen zur antinomischen Natur ihrer Ausgangsbe|griffe zu reduzieren.»5 Worauf er in diesem Buch konkret abgezielt hat, war «mit der Hilfe der Dialektik der ‹Entzweiung› und von dem faktischen Verlauf der Geschichte für einen Augenblick abgesehen, einige fundamentale Antinomien des religiösen Denkens zu formulieren.»6

13Als erstes Beispiel der Anwendung jener Methode in der Geschichtsschreibung kann die Dissertation Kołakowskis Indivi|duum und Unendlichkeit. Die Antinomien der Freiheit in der Philo|sophie Spinozas [Jednostka i nieskończoność. Antynomie wolności w filozofii Spinozy] aus dem Jahre 1959 betrachtet werden. In diesem Buch, das den Weg zur Auflösung der marxistischen, «wissenschaft|lichen Weltanschauung» im Kontext der Geschichte geöffnet hat, wurde von Kołakowski auch der humanistische Sinn der Metho|dologie der Warschauer Schule, d. h. die Elemente des in ihrem Rahmen vertretenen, historischen «Präsentismus» angedeutet.7 «Es handelt sich darum», schrieb er in der Vorrede,

die klassischen philosophischen Probleme als die Probleme moralischer Natur zu interpretieren, um die Fragen der Meta|physik, der Anthropologie und der Erkenntnistheorie auf die in der Sprache der menschlichen moralischen Probleme ausge|drückten Fragen zu übersetzen, um auf die Enthüllung ihres verborgenen Inhalts zu streben, um das Gottesproblem als Men|schenproblem, das Problem der Erde und des Himmels als Problem der menschlichen Freiheit, das Problem der Natur als Problem des Verhältnisses des Menschen zur Welt, das Problem der Seele als Problem des Wertes des Lebens, das Problem der Natur des Menschen als Problem der zwischenmenschlichen Ver|hältnisse darzustellen.8

14Kołakowski hat die Idee des Transzendentalismus in seinen Schriften dergestalt behandelt, dass er sie explizit auf eine Seite der Antinomie zu reduzieren versuchte, die er als konstitutiv für die neuzeitliche Philosophie im Ganzen deutete. Bereits in seinen kritischen Ana|lysen zum «Monismus» von Spinoza sah er diese Antinomie im Versuch Descartesʼ verankert, die neuzeitliche Erste Philosophie auf einem subjektiven Prinzip aufzubauen. In seinem Beitrag Zwei Augen von Spinoza [Dwoje oczu Spinozy] stellte Kołakowski fest, dass der Kartesianismus die Philosophien in zwei verschiedene Arten ge|spaltet habe (vgl. Kołakowski 1966, 220). Einerseits waren es die Philosophien, die – wie die «prototranszendentale» Philosophie von Descartes und ihre Fortführungen – «bei dem erlebten Gedachten anfangen und zur Welt nicht anders als auf dem Wege der leichtfertigen Beweise zurückkehren.»9 Andererseits handelte es sich um die Philosophien, welche von einer ontologischen Wahrheit des konstituierten Seins ohne Zuhilfenahme irgendeiner Erkenntnis ausgehen. Als solche sollten die letztgenannten Philosophien nach Kołakowski «zur Subjektivität nicht durchbrechen können und das menschliche Sein verdinglichen, bzw. nur kraft eines willkürlichen Dekrets ihm eine andere als die dingliche Realität zuerkennen.»10

15Die ideengeschichtliche Bedeutsamkeit der «Idee des Transzenden|talismus» als eines der beiden so verstandenen unüberbrückbaren Motive der neuzeitlichen Philosophie hat Leszek Kołakowski in den meisten seiner Schriften kritisch verfolgt. Ihren erkenntnistheoretischen Status hat er vielleicht am ausführlichsten in seinem Beitrag Karl Marx und die klassische Definition der Wahrheit besprochen. Dieser programmatische Text, der in den Sechzigern im polnischen Sammelband Kultur und Fetische [Kultura i fetysze] und gleichzeitig in seiner deutschen Überset|zung Traktat über die Sterblichkeit der Vernunft abgedruckt wurde, kann als ein postmarxistisch-humanistisches Glaubensbekenntnis von Koła|kowski selbst gedeutet werden. Von diesem Standpunkt aus trat er so|wohl gegen die klassische «Widerspiegelungstheorie» der Wahrheit nach Engels und Lenin, als auch gegen «jede transzendentale Perspektive hinsichtlich des Wertes unserer Vernunft» auf (Kołakowski 1967a, 5). In seinen Beiträgen aus jenen Sammlungen stellte Kołakowski die These auf, dass sowohl die objektivistische als auch die transzendentale Defi|nition der Wahrheit bloß Produkte der Selbstentfremdung des Men|schen seien. Dem Objektivismus der klassischen Theorie der Wahrheit und dem Transzendentalismus der Nachfolger von Descartes stellte Koła|kowski die anthropologische Wahrheitstheorie des jungen Marx gegen|über, die sowohl von dem «naiven» als auch «kritischen Dogmatismus» frei sein sollte. In seinem Beitrag schreibt er:

obwohl es heutzutage nichts Leichteres gibt, als zu zeigen, wie utopisch die Marxʼsche Überzeugung war, dass der ‹Kommunis|mus als positive Aufhebung des Privateigentums› mit der Auf|hebung der menschlichen Entfremdung überhaupt identisch sei, so dürfen wir jedoch glauben, dass sein erkenntnistheoretischer Ausgangspunkt aus diesem Grund keineswegs philosophisch unfruchtbar geworden ist (Kołakowski 1967b, 79).

16Andererseits lässt sich Kołakowskis implizit vertretener Standpunkt als eine Art «Kryptotranszendentalismus» deuten. In Anknüpfung an Andrzej Walickis These, dass die «typisch polnische» Rezeption des Marxismus von vornherein seine Konzeption als eine «Sozialisierung des Kantischen Standpunkts»11 festlegte, kann man behaupten, dass die philosophische Fruchtbarkeit der Marxʼschen Erkenntnistheorie auch für Kołakowski in erster Linie in der den beiden Kritizismen gemeisamen, «aktivistischen Auffassung des erkennenden Subjektes»12 (ebd.) bestand. In seinem Beitrag wies Kołakowski – in Anknüpfung an Antonio Gramsci – ausdrücklich darauf hin, dass der alltägliche Glaube an die objektive Realität der Außenwelt einen «religiösen Ur|sprung hat, selbst wenn der Mensch, der diesen Glauben teilt, religiös gleichgültig ist».13 Die Möglichkeit der Aufhebung der Antinomie zwischen den beiden widerstrebenden Motiven der neuzeitlichen Phi|losophie sah Kołakowski in ihrer «Übersetzung» auf die praktische Auseinandersetzung der menschlichen Gattung mit der Welt durch den jungen Marx. Die menschliche Erkenntnis, stellte er in seinem Beitrag fest, lässt sich nicht anders verstehen als eine

Funktion eines ständigen Dialogs der menschlichen Bedürfnisse mit ihren Gegenständen. Dieser ‹Arbeit› genannte Dialog erschafft sowohl die menschliche Gattung wie deren Außenwelt, die dem Menschen aus diesem Grund ausschließlich in ihrer humanisierten Form zugänglich ist.14

17Die so verstandene Ambivalenz des von Leszek Kołakowski vertretenen postmarxistisch-neukantianischen Deutungsschemas der Idee des Transzendentalismus ist im vollen Ausmaß in der Interpretation ihrer historischen Konkretisierung bei Edmund Husserl zu Wort gekommen. In seinen Schriften aus dem Band Traktat über die Sterblichkeit der Vernunft wies Kołakowski darauf hin, dass bereits die deutschen Idealisten und Neokantianer – mit ihrer Kritik an der Verdinglichung des cogito-Aktes von Descartes – nach der Möglichkeit der Begrün|dung der metaphysischen Wahrheit im transzendentalen Bewusstsein suchten (vgl. Kołakowski 1967b, 9–10). Nichtsdestoweniger lieferte die transzendentale Philosophie Husserls – wie Kołakowski in seinem Buch Husserl and the Search for Certitude (1975) schrieb – «the strongest argument in favor of the statement that from the empiricist point of view the concept of truth is useless, and so is the concept of science as the search for truth» (Kołakowski 1977, 36). Neben der präsentischen Würdigung der heuristischen und kulturstiftenden Bedeutsamkeit der Idee des Transzendentalismus, hat sich Kołakowski in seiner Analyse der Suche nach der Wahrheit innerhalb der Phänomenologie Husserls in erster Linie auf das Punktieren ihrer erkenntnistheoretischen, durch ihren historischen Kontext bedingten Anmaßung konzentriert. In seiner Konklusion stellte er fest, dass Husserl mit dieser Idee uns mehr als irgendjemand gezwungen hat

to realize the painful dilemma of knowledge: either consistent empiricism with its relativistic, skeptical results (a standpoint which many regard discouraging, inadmissible and, in fact ruinous for culture) or transcendentalist dogmatism, which cannot really justify itself and remains in the end an arbitrary decision (Kołakowski 1977, 96).

3 | Marek Siemek und die Idee einer transzendentalen Revolution

18Bereits im Lichte dieser skizzenhaften Darstellung der Methodologie der Warschauer Schule der Ideengeschichte ist es kaum zu bestrei|ten, dass Marek Siemek sich mit seiner Deutung der Idee des Transzendentalismus als Mitglied jener Schule zu positionieren versuchte. Im Vorwort zu seinem jener Idee gewidmeten Buch hat er seinen Gegenstand hinsichtlich seiner methodologischen Voraus|setzungen bestimmt. Der Grundvoraussetzung jener Schule gemäß sollte nämlich der Ideenhistoriker in seiner Forschungspraxis die zwei widerstreitenden Perspektiven miteinander verbinden, den «Kontextualismus» [kontekstualizm] und den «Präsentismus» [pre|zentyzm] (vgl. Szacki 1987, 91–96). Dementsprechend hatte Siemek einerseits vor, die «Gestalt eines Gedankens» zu beschreiben nämlich als ein «Gebilde der sich objektivierenden Kulturtätig|keit.»15 Wie seine Lehrer wollte er den Transzendentalismus bei Fichte und Kant in ihrem historischen, und das heißt auch sie auf eine bestimmte Weise konstituierenden, Kontext sehen. Den Gegen|stand seines Buchs machen

den Sinn, die Art und die Reichweite der Umwandlungen aus, denen die Struktur einer der Kernfragen aller Philosophie, nämlich der Frage nach dem Wissen, unterliegt, sobald diese in den neuen Wirkungskreis einer neuen philosophischen Idee gerät – derjenigen nämlich, die von den genannten Denkern als die Idee des Transzendentalismus bezeichnet wurde.16

19Nach diesem methodologischen Prinzip wollte Siemek die historischen Umwandlungen der Idee des Transzendentalismus unter einem bestimmten, auf ihre «Aktualität» orientierten Gesichtspunkt «präsentieren» (vgl. Szacki 1987, 93). Wie der Hauptgegenstand des Interesses von Kołakowski in seinem Buch über Husserl keineswegs der historische Husserl war, sondern er ihn «nur als einen Vorwand für die Erörterung der Frage nach der Gewissheit»17 betrachtete, so war es auch nicht Absicht Siemeks, «die Philosophie Fichtes in ihrer historisch wirklichen Gestalt zu rekonstruieren».18 Was er zu seiner Aufgabe machte, war «manche in ihr geschehenden theoriebildenden Vorgänge aufzuzeigen, die mit einer bestimmten Weise und Richtung seiner Fortsetzung des Kantischen Transzendentalismus zusammen|hängen».19

20Sofern Siemek die von ihm beabsichtigte Rekonstruktion der Idee des Transzendentalismus dem Problem ihrer historischen Wirkung auf die strukturellen Umwandlungen der Frage nach dem Wissen unterordnet, scheint er den Warschauer Historikern in der Tat nicht nur hinsichtlich ihrer Methodologie, sondern auch in ihrer politischen Strategie zu folgen. Wenn er so tue, wäre es dennoch zu erwarten, dass er diese von ihm als die Kernfrage aller Philosophie bezeichnete Frage, wie etwa Kołakowski die von Husserl gestellte Frage nach der «unerschütterlichen, absolut unzweifelhaften Grundlage der Erkenntnis», jener Strategie gemäß als einen Ausdruck einer anthropologischen «Not des Mythos» deuten würde (vgl. Kołakowski 2003 [1972], 23–36). Nach dem von Kołakowski und anderen Warschauer Revisionisten bereitgestellten Muster sollte dann Siemek, wie es scheinen möchte, auch seine Interpretation zum Element einer allgemeineren und weitreichenderen Strategie machen, einerseits auf die theoretische Dürftigkeit der orthodoxen Theorie und andererseits auf ihre praktischen, kulturellen und politischen Konsequenzen hinzuweisen. Nicht anders als Kołakowski mit seiner Deutung der Idee des Transzendentalismus bei Husserl, sollte auch Siemek mit seiner Beschreibung der Umwandlungen der Frage nach dem Wissen bei Fichte und Kant den «mythischen» (Kołakowski 2003), bzw. «religiösen Hintergrund» ihrer Wissen|schaftslehre zu enthüllen versuchen (Kołakowski 1977, 95).

21Egal wie fest etabliert die Meinung über die Anwendung der Methodologie der Warschauer Schule in der von Marek Siemek gelieferten Interpretation des Transzendentalismus sein mag, steht die von ihm vertretene Auffassung jener Idee im schroffen Wider|spruch zu den meisten dieser Erwartungen. Ein solcher Wider|spruch wäre in erster Linie die Weise, in der Siemek die geschichtliche Bedeutsamkeit und gegenwärtige Aktualität der Idee des Transzendentalismus präsentierte. In seinem Buch betonte er ausdrücklich die bahnbrechende, und wie es scheint unumkehrbare, Bedeutung von Kants Kritiken und Fichtes Wissenschaftslehre für die Ideengeschichte. Beim Kantischen Vorhaben handele es sich, «um eine Transformation grundsätzlicher Dimensionen des bestehenden Denkraums», die Umgestaltung eines ganzen «Paradigmas», deren Funktionsschema Siemek ähnlich dem Kuhnschen Modell der theoretischen Revolution in der Wissenschaft dachte (vgl. Siemek 1984, 17). In der ausdrücklichen Anknüpfung an Kuhns The Struc|ture of Scientific Revolutions (1962), wies Siemek in einer Fußnote darauf hin, dass das «Schema» dieser Umgestaltung nicht nur dem von Kuhn beschriebenen Modell einer solchen Revolution als ganzer, sondern auch in ihren einzelnen, von ihm detailliert dargestellten «Phasen», entspricht (Siemek 1984, 17). Die Revolution, die Kant vollzogen hat, bestand nach Siemeks Auffassung in der Anhebung der klassischen Erkenntnistheorie seit Descartes und Hume auf eine ganz neue Ebene des Denkens. Im formalen Bezug auf Heideggers Unterscheidung zwischen dem «Ontischen» und dem «Ontologischen» unterschied Siemek zwischen der post-kartesianischen, bloß «epistemischen Ebene», die er als eine Art theoretischen, objektivistischen Dogmatismus betrachtete, und einer echt «epistemologischen Ebene», die erst von der Erkenntnistheorie der kritischen Philosophien von Kant und Fichte erreicht wurde. In Abweichung von der üblichen Gleichsetzung der «Erkenntnistheorie» mir der «Epistemologie», stellt Siemek die These auf, dass der Begriff «transzendental» bei Kant eine ganz neue Perspektive des Denkens bestimmt; eine Perspektive, die Siemek selbst den «epistemologischen Standpunkt» im strengen Sinne nannte (Siemek 1984, 40).

22Mit seinem Verständnis der Rolle der Idee des Transzendentalis|mus für die Philosophiegeschichte scheint Siemek wesentlich näher der teleologischen Auffassung dieser Idee von Kroński und Husserl zu stehen als dem Kontextualismus der Warschauer Historiker, die eine solche Teleologie bestreiten. Für eine Erkenntnistheorie im Rahmen des «epistemischen Theoriefeldes» (Siemek 1984, 34) sollte eine selbstverständliche Opposition zwischen dem Denken und dem Sein, der Erkenntnis und der Wirklichkeit gelten. Siemek bezeichnete jenes Feld insofern als epistemisch, als seine Konstituente die Erkenntnis in der Form eines unmittelbaren «Wissens-von-Etwas», eines bewusstseinsmäßigen «Sehens», und in eben diesem Sinne einer einfachen «Episteme» blieb. Was die vorkantianische Theorie des Wissens der epistemischen Ebene, die sich in der Definition der Wahrheit als adequatio rei et intellectus gründete, endgültig obsolet machte, war in Siemeks Auffassung die «Existenz einer wirklichen Erkenntnis, der Wissenschaft» (Siemek 1984, 14). Ebenso wie der Sinn jener adequatio, d.h. des Verhältnisses vom Bewusstsein zur Welt auf dieser Ebene unverständlich blieb, war die klassische Erkenntnistheorie auch außerstande, den Sinn jener Tatsache – weder vom realistischen, noch vom idealistischen Standpunkt aus – aufzuklären.

23Was die klassische Erkenntnistheorie auf die epistemologische Ebene angehoben hat, war die zum ersten Mal bei Kant zur Sprache gekommene Idee, dass es nichts anderes als die Opposition vom Denken und Sein selbst sei, d. h. das Verhältnis von «Subjekt» und «Objekt» in seiner Ganzheit, das zum Gegenstand der Theorie werden soll. Die eigentliche, erst von Kant ausgesprochene Frage nach der Möglichkeit des Wissens, die Frage, welche seine bisherige Theorie, nach Siemeks Wort, tatsächlich zu beantworten versuchte, aber überhaupt nicht zu stellen vermochte, war im Lichte seiner Rekonstruktion eine im selben Maße epistemologische, wie ontologische Frage. Sie sollte in Wirklichkeit nicht das «Wissen» selbst (d.h. seinen Ursprung, seine Struktur, seine Methode usw.), sondern vor allem «die Grundlagen und die Bedingungen der Möglichkeit seiner beiden Wesenszüge: die Allgemeingeltung und die objektive Gültigkeit betreffen» (Siemek 1984, 6). Die von den Kritiken Kants gestellten Fragen, schrieb Siemek, betreffen «stets das Wissen und das Sein zugleich: nämlich ihre Einheit, ihre gemeinschaftliche Grundlage, ihr gegenseitiges Verhältnis im Rahmen eines umfassenderen Ganzen» (Siemek 1984, 23–24). Zur eigentlichen Auf|gabe der Philosophie, die eben als solche nichts anderes sein sollte als Wissenschaftslehre, wurde somit, der von Siemek rekonstruierten Idee des Transzendentalismus zufolge, die Untersuchung der «apriorischen (vor-wissenschaftlichen) Bedingungen der Konstitution dieser Gegenständlichkeitsformen, die durch die wissenschaftliche Erkenntnis erfolgreich angeeignet und zugänglich gemacht werden» (Siemek 1984, 55).

4 | Fazit

24Die theoretische Perspektive, aus welcher Marek Siemek die Idee des Transzendentalismus bei Fichte und Kant auslegte, bedarf einer weiteren Untersuchung. Die Analyse der intellektuellen Verflech|tung, die seinen Arbeiten zugrunde lag, macht es nötigt, die weiteren Schriften Siemeks zum Thema der Transzendentalphilosophie zu berücksichtigen; zu nennen sind hier z. B. seine späteren Studien, die der Philosophie Fichtes und Husserls gewidmet waren (vgl. Siemek 1994, 265–287), wie auch die Texte, in welchen er in an Kant und Fichte einerseits und an Hegel und Marx andererseits anknüpft, um seine eigene «transzendentale Sozialphilosophie» zu entwickeln (vgl. Siemek 2000).

25Dass ich in meinem Aufsatz Marek Siemek als einen Vertreter des polnischen Neukantianismus zu deuten vorgeschlagen habe, hat seinen hauptsächlichen und sozusagen «negativen» Grund in der ausdrücklichen Inkompatibilität der von ihm erstellten Analyse von der Idee des Transzendentalismus mit dem, was man bei ihm als einem Ideenhistoriker der Warschauer Schule erwarten würde. Was uns Siemek zu den Vertretern dieser Schule zu rechnen erlaubt, ist eigentlich bloß sein Versuch, die Idee des Transzendentalismus zum Gegenstand einer Geschichte zu machen. Sowohl die Methode ihrer Historiographie, als auch die geschichtliche Bedeutsamkeit dieser Idee selbst, hat er dennoch wesentlich unterschiedlich zu den War|schauer Ideenhistoriker verstanden. Unterschiedlich zu beurteilen ist also der theoretische Sinn der bei Kołakowski einerseits und bei Siemek andererseits zustande gekommenen «Sozialisierung» des Kantischen Standpunkts.

26Diese Unterschiede insgesamt bahnen meines Erachtens den Weg, um auch einige «positive» Gründe einer neukantianischen Deutung Siemeks theoretischen Standpunktes vorzubringen. Was Siemek als einen Neukantianer – natürlich im weitestmöglichen Sinne – bestimmen lässt, ist in erster Linie seine Strategie gewesen, den institutionellen, mit Kołakowski gesprochen, obsoleten Marxis|mus (Kołakowski 1957) und des in seinem Rahmen gepredigten, «wissenschaftlichen Sozialismus» nicht so sehr durch seine Relati|vierung, sondern eher durch die Rückkehr zu Kant zu überwinden. Während Kołakowski und andere Vertreter der Warschauer Schule für die Ideengeschichte nicht nur marxistische, sondern auch alle transzendentalen Ansprüche auf Wissenschaftlichkeit zur antino|mischen Natur ihrer Ausgangsbegriffe zu reduzieren versuchten, hat Siemek dem theoretischen Messianismus der Marxisten den Messia|nismus der von Kant gepredigten, «kopernikanischen Revolution» gegenübergestellt. Seine eigene Idee war, dass die Fichtesche Wis|senschaftslehre ein erster, aber in mancher Hinsicht auch ein letzter, ganzheitlicher und konsequenter Versuch gewesen ist, die philosophische Problematik Kants in ihrem eigenen Theoriefeld zu erkennen und systematisch weiterzuentwickeln. Oder wie Siemek es fest|stellt:

nach Kant und Fichte zu leben und zu denken – dies hat in der Philosophie der letzten 150 Jahre gar nicht immer bedeutet: über Kant und Fichte hinausgegangen zu sein. Ja im Gegenteil: die meisten philosophischen Anschauungen und Ideen, die in diese chronologisch ‹nachkantianische› Periode fallen, bewegen sich doch offensichtlich noch immer in einer grundsätzlich vorkantianischen Struktur der theoretischen Wirklichkeit. In theoreti|scher Hinsicht haben sie also Kants Standpunkt und Ebene des Denkens nicht einmal erreicht, geschweige denn ‹übertroffen›». (Siemek 1984, X)

27Was die Sozialisierung des Kantischen Standpunkts anbelangt, bedürfen die diesbezügliche Unterschiede zwischen Kołakowski und Siemek einer ausführlichen Analyse, die den Rahmen dieses Auf|satzes sprengen würde. Es sei hier gesagt, dass sie bei Kołakowski in der nie von ihm in Frage gestellten Anerkennung der bahnbrechenden Bedeutung der anthropologischen Wahrheitstheorie des jungen Marx bestand, die in seiner Interpretation die Antinomie zwischen dem Subjektivismus und Objektivismus, bzw. dem Transzenden|talismus und Empirismus, verstanden als konstitutive für die neu|zeitliche Philosophie im Ganzen, durch ihre Zurückführung auf die menschliche, soziale Praxis aufheben sollte. Bei Siemek handelte sich dagegen in der Sozialisierung des Kantischen Standpunkt eher um eine bewusste Absicht, die letzten, radikalsten, auch von Marx selbst nie geahnten, sozialen Konsequenzen der Kantischen, transzendentalen Revolution in seinem eigenen Leben und Denken zu ziehen.

    Notes

  • 1 „My sowieckimi kolbami nauczymy ludzi w tym kraju myśleć racjonalnie bez alienacji.” (Miłosz 1999, 318) Sofern nicht anders angegeben, stammen alle Über|setzungen von mir. A. G.
  • 2 „umożliwiające doświadczenie, a więc zewnętrzne wobec doświadczenia” (Kroński, 1960, 227).
  • 3 „Na tym właśnie ma polegać idealizm transcendentalny, że wszelkie twierdzenia natury ontologicznej, orzekające o bycie jakimkolwiek, są twierdzeniami wydedukowanymi w myśli. Twierdzenie przypisujące egzystencję obiektywną naszemu ja jest więc równie nieuzasadnione, jak przyjęcie egzystencji obiektywnej jakichkolwiek innych „rzeczy samych w sobie”, więc rzeczy istniejących niezależnie od korelacji podmiot-przedmiot. Podmiot nie istnieje bez przedmiotu ani przedmiot bez podmiotu. W tym właśnie streszcza się ontologia Fichtego.” (Kroński 1960, 46)
  • 4 „[P]rzez lewicę intelektualną w humanistyce rozumiemy mianowicie działalność intelektualną, która wyróżnia się radykalnym racjonalizmem myślowym, stanowczością w walce przeciwko inwazji mitologii w pracy naukowej, bezwzględnie laickim pojmowaniem świata, krytycyzmem najdalej posuniętym, nieufnością wobec konstruowania doktryn i systemów zamkniętych i dążeniem do myślenia otwartego – to znaczy gotowością do rewizji tez, teorii i metod przyjętych oraz cenieniem nowatorstwa naukowego, tolerancją wobec stanowisk odmiennych w obrębie nauki i zarazem gotowością do wojny – choćby zaczepnej – przeciw irracjonalizmom wszelkim; nadto – przekonaniem o wartościach poznawczych nauki oraz przekonaniem o możliwościach postępu społecznego.” (Kołakowski 1989 [1957], 13)
  • 5 „zredukować wewnętrzne sprzeczności i niezgodności poszczególnych struktur myślowych do antynomicznej natury pojęć wyjściowych, którymi one operują” (Kołakowski 1997, 7).
  • 6 „posługując się dialektyką «rozdwojenia», a abstrahując na chwilę od faktycznego przebiegu historycznego, sformułować pewne antynomie fundamentalne myślenia religijnego.” (Kołakowski 1997, 7)
  • 7 Unter ‹Präsentismus› in der Ideengeschichte versteht der Warschauer Ideen|historiker Jerzy Szacki eine Zugangsweise zu den intellektuellen Phänomenen, welche darin besteht, dass man in ihnen «die Antwort auf die aktuellen Fragen» sucht und an allem, was veraltet zu sein scheint, «ohne zu zögern vorbeigeht» (Szacki 1991, 14).
  • 8 „Chodzi o to, by zinterpretować klasyczne kwestie filozoficzne jako kwestie natury moralnej, przełożyć pytania metafizyki, antropologii i teorii poznania na pytania wyrażone w języku ludzkich problemów moralnych, dążyć do odsłonięcia ich utajonej treści humanistycznej, przedstawić problem Boga jako problem człowieka, problem ziemi i nieba jako problem ludzkiej wolności, problem natury jako problem stosunku człowieka do świata, problem duszy jako problem wartości życia, problem natury ludzkiej jako problem stosunków pomiędzy ludźmi.” (Kołakowski 2012, 7)
  • 9 „które od pomyślenia przeżytego zaczynają snuć swój wątek i nie powracają ku światu inaczej, jak dzięki lekkomyślności dowodowej.” (Kołakowski 1966, 220)
  • 10 „ku podmiotowości nie potrafią się przedrzeć i zostawiają byt ludzki na poziomie wszelkiej rzeczy, lub tylko dowolnym dekretem nadają mu realność inną jeszcze aniżeli rzeczową.” (Kołakowski 1966, 220)
  • 11 „uspołecznienia stanowiska Kanta” (Walicki 2011, 287).
  • 12aktywistyczne rozumienie poznającego podmiotu” (Walicki 2011, 287).
  • 13 „jest pochodzenia religijnego, choćby nawet podzielający ją człowiek był religijnie obojętny” (Kołakowski 1967a, 81).
  • 14 „funkcja ciągłego dialogu potrzeb ludzkich z ich przedmiotami; dialog ten, nazywany pracą, tworzy zarówno gatunek ludzki, jak jego świat zewnętrzny, który z tej racji dostępny jest człowiekowi tylko w swojej formie zhumanizowanej.” (Kołakowski 1967a, 80)
  • 15 „wytwór obiektywizujących się działań kulturowych” (Siemek 1984, VII).
  • 16 „sens, rodzaj i zasięg strukturalnych przekształceń, jakim ulega kluczowa dla filozofii problematyka wiedzy, kiedy zostaje umieszczona w polu oddziaływania pewnej nowej idei filozoficznej – tej mianowicie, którą sami ci myśliciele nazwali ideą transcendentalizmu.” (Siemek 1984, IX)
  • 17 “something of a pretext for discussing the question of certainty” (Kołakowski 1977, 9).
  • 18 „rekonstrukcja samej filozofii Fichtego w jej historycznie rzeczywistym kształcie” (Siemek 1984, 188).
  • 19 „pokazanie pewnych […] procesów teoriotwórczych, które w niej zachodzą, a które wiążą się z określonym kierunkiem i sposobem kontynuacji kantowskiego transcendentalizmu.” (Siemek 1984, 188)

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Publication details

Published in:

Martin Erik, Mrugalski Michał, Flack Patrick (2022) Neo-Kantianism as an entanglement of intellectual cultures in Central and Eastern Europe: Neukantianismus als Verflechtung von Wissenskulturen Mittel-und Osteuropas. Genève-Lausanne, sdvig press.

Pages: 55-78

Full citation:

Gniazdowski Andrzej (2022) „Polnische Rezeption der Idee des Transzendentalismus: Marek J. Siemek und die Warschauer Schule für die Ideengeschichte“, In: E. Martin, M. Mrugalski & P. Flack (Hrsg.), Neo-Kantianism as an entanglement of intellectual cultures in Central and Eastern Europe, Genève-Lausanne, sdvig press, 55–78.