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199911

Schlusssteine

Gerhard Schulz

pp. 287-295

Abstract

Den Abend »vor dem wichtigsten Tag« seines Lebens hat Kleist die Stunden im September des Jahres 1800 genannt, da er in der Würzburger Mainlandschaft spazieren ging und durch ein Stadttor in sein Quartier zurückkehrte, wo er unter fremdem Namen logierte. Aber nicht nur seiner Wilhelmine von Zenge, der er das am 16. November mitteilt, sondern auch der Nachwelt hat er zu raten überlassen, was es denn nun mit diesem besonderen Tag wirklich auf sich hatte, es sei denn, etwas davon hätte bereits in jenem »Haupt-Brief« gestanden, den er Anfang des Monats Oktober geschrieben zu haben scheint, oder in einem zweiten, der ihm folgen sollte und »der noch wichtiger sein wird«,1 wenn es ihn denn je gegeben hat. Nur sind beide leider nicht überliefert. Die Nachwelt jedenfalls hat sich des Ratens um so mehr befleißigt, als ihr der ganze Würzburger Aufenthalt in Mysterien gehüllt erscheint. Ging es bei solch »Wichtigstem« um geheime Gespräche mit hochrangigen Sendboten der Freimaurerei, die schon lange ein Auge auf den Jüngling geworfen hatten, hielt er als inoffizieller Mitarbeiter des preußischen Staatssicherheitsdienstes nach bayrischen Staatsgeheimnissen Ausschau, hatte er Sorgen hinsichtlich der Insuffizienz eines Körperteils, die anderntags beseitigt werden sollte, wollte er seiner übervollen Seele eine zügelnde Kur von tierischem Magnetismus zuteil werden lassen, wollte er dem Glücksspiel huldigen oder hatte er sich gerade das Thema für eine Habilitationsschrift über Editionsprobleme bei Klassiker-Ausgaben ausgedacht?

Publication details

Published in:

(1998) Kleist-Jahrbuch 1998. Stuttgart, Metzler.

Pages: 287-295

DOI: 10.1007/978-3-476-03755-8_14

Full citation:

Schulz Gerhard (1998) „Schlusssteine“, In: , Kleist-Jahrbuch 1998, Stuttgart, Metzler, 287–295.