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222246

Römer und Germanen im Spiel der Masken

Gesa von Essen

pp. 41-52

Abstract

Duelle, verstanden als Zweikämpfe zwischen Personen oder auch Kollektiven, haben in der Regel eine klare Grenzziehung zwischen den Gegnern, oftmals sogar eine rigide Entgegensetzung von Freund und Feind zur Voraussetzung. Daher kann man in Kleists Hermannsdrama kurz vor Beginn der Schlacht im Teutoburger Wald den aufgebrachten Ausruf des Cheruskerfürsten lesen: »Hinweg! — Verwirre das Gefühl mir nicht! / Varus und die Kohorten, sag ich dir; / Das ist der Feind, dem dieser Busen schwillt!« (Vs. 2285 ff.).2 Man wird hellhörig, ist doch mit einschlägigen Schlüsselbegriffen das für Kleist zentrale Thema der Gefühlssicherheit angeschlagen, die sich bei Käthchen, Penthesilea oder Homburg in erster Linie auf das private Verhältnis zwischen einzelnen Personen bezog, hier nun aber das politische Verhältnis zwischen ganzen Völkern unter dem Vorzeichen des Krieges betrifft. Auch Kleists Hermann handelt aus der Sicherheit des Gefühls heraus, genauer: aus der Sicherheit des vaterländischen Gefühls und der mit ihm verbundenen Freund-Feind-Gewißheit. Die Komposition des Textes scheint daher folgerichtig auf einem fest umrissenen und klar bewerteten Dualismus von Römischem und Germanischem zu beruhen und eine Deutung als Medium der nationalen Identifikation nahezulegen — in der Rezeptionsgeschichte bevorzugt in Abgrenzung von Frankreich, Ende der 50er Jahre unseres Jahrhunderts dann in der DDR mit der heute eher unfreiwillig komischen Wendung: »Die Römer sind die Amerikaner und Aristan ist Adenauer«.3

Publication details

Published in:

(2000) Kleist-Jahrbuch 1999. Stuttgart, Metzler.

Pages: 41-52

DOI: 10.1007/978-3-476-03787-9_5

Full citation:

von Essen Gesa (2000) „Römer und Germanen im Spiel der Masken“, In: , Kleist-Jahrbuch 1999, Stuttgart, Metzler, 41–52.