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222260

Die Geburt der Poesie aus dem Geist der Landschaftsbetrachtung

Peter Philipp Riedl

pp. 269-275

Abstract

Autoren von Werkmonographien stellt sich zwangsläufig die Frage, ob und in welchem Maß sie die Biographie des Dichters in ihre Überlegungen mit einbeziehen sollen. Für gleichsam gemischte Darstellungen ist das Genre der »literary biography« insbesondere in der angelsächsischen Wissenschaftskultur, der die Verfasserin der vorliegenden Studie, Hilda Meldrum Brown, zugehört, eine verbreitete und populäre Form, die Leser auch jenseits der akademischen Welt findet. Bei einem Dichter, dessen Lebensgeschichte nur bruchstückhaft überliefert ist, stünden einer derartigen Betrachtung indes größere Schwierigkeiten entgegen. Wenn die Verfasserin im Falle Kleists auf dieses grundsätzliche Problem hinweist, weiß sie besonders genau, wovon sie spricht, hat sie doch selbst, zusammen mit Richard Samuel, das neben der Würzburger Reise prominenteste Geheimnis im Leben des Dichters bereits zum Gegenstand eines Buches gemacht: Unter dem sprechenden Titel ›Kleist's Lost Year‹ (Leamington Spa 1981) haben Hilda M. Brown und Richard Samuel die »fehlenden« Monate zwischen Oktober 1803, als Kleist, eigenen Angaben zufolge, das ›Guiskard‹-Fragment verbrannte und mit der französischen Armee nach England übersetzen wollte, und seinem Versuch im Juni 1804, eine Anstellung im preußischen Staatsdienst zu erreichen, näher beleuchtet. In ihrer jetzigen Untersuchung widmet sich Hilda M. Brown dem ebenso faszinierenden wie verstörenden Œuvre Kleists selbst und klammert Fragen der rätselhaften Lebensgeschichte bewußt aus. Zwar spielen gerade Kleists Reisebriefe des Jahres 1800 in ihrer Darstellung eine zentrale, ja eine Schlüsselrolle, aber nicht, um sich an der jüngst wieder neu entbrannten Diskussion über die biographische Bedeutung der Würzburger Reise zu beteiligen. Vielmehr sieht die Verfasserin insbesondere in den Landschaftsbeschreibungen dieser Briefe einen Nukleus von Kleists ästhetischen und poetischen Vorstellungen, die sein gesamtes Werk prägen werden. — In diesen Briefen vollzieht sich daher, so ließe sich zugespitzt formulieren, die Geburt der Poesie aus dem Geist der Landschaftsbetrachtung.

Publication details

Published in:

(2000) Kleist-Jahrbuch 1999. Stuttgart, Metzler.

Pages: 269-275

DOI: 10.1007/978-3-476-03787-9_19

Full citation:

Riedl Peter Philipp (2000) „Die Geburt der Poesie aus dem Geist der Landschaftsbetrachtung“, In: , Kleist-Jahrbuch 1999, Stuttgart, Metzler, 269–275.