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222985

Der Januskopf der Gemeinschaft

Lars Clausen

pp. 67-82

Abstract

Meine Damen und Herren! Viele wären froh, hätte Ferdinand Tönnies sich anstatt des Begriffszwillings "Gemeinschaft" und "Gesellschaft" mit dem einen dieser beiden Zwillinge begnügt, mit der "Gesellschaft". In ihr zeigt man "Kürwillen", d. h. vergesellt man sich um eines bestimmten Zweckes willens, das scheint zunächst einfache Züge zu tragen. Die "Gemeinschaft" hingegen, wo man sich um ihrer selbst willen — nach Tönnies mit "Wesenwillen" — hinzugesellt, irritiert durch ein unübersehbares Doppelantlitz: Mit dem einen sieht sie ihren Zwilling "Gesellschaft" an, mit dem sie als Paar konzipiert ist, und wird dito von dort aus angesehen. Mit dem andern aber blickt sie — wohin? Auf "Wesentliches"? Doch wohl zurück in die scheinbar sich selbst genugsame, wie ein ungewolltes "System" wirkende Menschen-, Tier- und Pflanzennatur, von der man mit der "Gesellschaft" angenehm weit entrückt scheint. Diese andere Aussicht ist mein Thema. Denn: Wenn "Gemeinschaft" diesen Januskopf nicht hätte, dann wäre dem Ferdinand Tönnies die "Natur" in den "Gemeinschafts"-Anteil seines Begriffsdoppels selbst eingedrungen. Dann hätte also "die Gemeinschaft" des soziologischen Nestors sich der Soziologie halb entschlagen, und damit wäre die ganze tönniessche "Soziologie" eine Chimäre.

Publication details

Published in:

Clausen Lars, Schlüter Carsten (1991) Hundert Jahre "Gemeinschaft und Gesellschaft": Ferdinand Tönnies in der internationalen Diskussion. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Pages: 67-82

DOI: 10.1007/978-3-663-01367-9_3

Full citation:

Clausen Lars (1991) „Der Januskopf der Gemeinschaft“, In: L. Clausen & C. Schlüter (Hrsg.), Hundert Jahre "Gemeinschaft und Gesellschaft", Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 67–82.