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Wie amerikanische Fernsehzuschauer/innen mit Soap Operas umgehen
Bericht über eine Audience Study
pp. 59-66
Abstract
Die theoretische Konzeption unserer Zuschauerstudie1 war beeinflußt durch die Arbeiten des britischen Fernsehzuschauerforschers David Morley und der amerikanischen Kulturwissenschaftlerin Janice Radway. Beide haben in den 80er Jahren Studien vorgelegt, in denen es um Zuschauer bzw. Leser populärer Texte und um die kulturwissenschaftliche (im Gegensatz zur soziologisch-empirischen) Erforschung der beim Zuschauen und Lesen auftretenden Prozesse geht. Morleys Studie über die britische Nachrichtensendung "Nationwide", The "Nationwide" Audience: Structure and Decoding (1980), schlägt ein Modell für die Interaktion zwischen Zuschauern und Fernsehtext vor, das sowohl die Theorie der den Einzelnen überwältigenden Massenmedien, wie sie etwa von der Frankfurter Schule vertreten worden war, als auch die theoretischen Prämissen der uses-and-gratifications-Schule mit ihrer Annahme der Möglichkeit eines freien, auf die Bedürfnisse der individuellen psychischen Konstitution zugeschnittenen Umgangs mit den Medien verwirft. Statt dessen stellt Morley in seinen Arbeiten die Kategorien der Klassen- und der Geschlechtszugehörigkeit als wichtige Kriterien für die Dekodierung von Fernsehbotschaften in den Vordergrund. In seinem Buch Family Television: Cultural Power and Domestic Leisure (1986) verweist er des weiteren auf die Komplexität des Rezeptionsvorgangs. Er versteht dort die Fernsehrezeption nicht als punktuellen Leseakt, sondern als "a set of processes — of attentiveness, recognition of relevance, of comprehension, and of interpretation and response" (Morley, 1981, 5). Dieser Einsicht folgend, gelangt Morley in Family Television methodisch zu einer Privilegierung der spontan gesprochenen Kommentare zum Fernsehen als primärem Datenmaterial und damit zum Ansatz einer, wie er es nennt, "ethnography of reading", mit deren Hilfe er die sozialen und kulturellen Determinierungen der individuell unterschiedlichen Rezeptionsweisen bestimmen will.
Publication details
Published in:
Holly Werner, Püschel Ulrich (1993) Medienrezeption als Aneignung: methoden und Perspektiven qualitativer Medienforschung. Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.
Pages: 59-66
DOI: 10.1007/978-3-322-87281-4_4
Full citation:
Borchers Hans (1993) „Wie amerikanische Fernsehzuschauer/innen mit Soap Operas umgehen: Bericht über eine Audience Study“, In: W. Holly & U. Püschel (Hrsg.), Medienrezeption als Aneignung, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, 59–66.